70.000 Euro: Machtmissbrauch rechtfertigt hohe Abfindung
Worum geht es?
Der Geschäftsführer eines Unternehmens hatte eine Arbeitnehmerin wiederholt mit sexistischen, übergriffigen und entwürdigenden Äußerungen konfrontiert. Nachdem sich ein von ihm offenbar angestrebter privater Kontakt nicht so entwickelte, wie er es sich erhofft hatte, drohte er ihr mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Kurz darauf kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage und beantragte gleichzeitig die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Sie machte geltend, dass ihr eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Übergriffe des Geschäftsführers nicht zumutbar sei. Das ArbG Bonn gab der Klage statt und löste das Arbeitsverhältnis auf. Es sprach der Arbeitnehmerin eine Abfindung in Höhe von 70.000 Euro zu. Zur Begründung verwies das Gericht auf die offensichtliche Sozialwidrigkeit der Kündigung sowie auf die besondere Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung. Die Abfindung diene nicht nur dem Ausgleich des Arbeitsplatzverlustes, sondern habe auch eine Genugtuungsfunktion – ähnlich wie ein Schmerzensgeld bei ehrverletzendem Verhalten. Der Arbeitgeber legte gegen die Höhe der Abfindung Berufung ein.
Das sagt das Gericht
Das LAG Köln bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, setzte die Abfindung aufgrund einer leicht abweichenden Berechnung aber auf 68.153,80 Euro fest. Die Kündigung sei offensichtlich sozialwidrig. Zum anderen sei die Arbeitnehmerin erheblich herabgewürdigt worden. Diese Diskreditierung habe seit Mai 2024 zu einer andauernden posttraumatischen Belastungsstörung geführt. Der Geschäftsführer habe die Auflösungsgründe vorsätzlich durch das Missbrauchen seiner Machtstellung herbeigeführt. Die außerordentliche Höhe der Abfindung sei aufgrund der offensichtlichen Sozialwidrigkeit und der erheblichen Herabwürdigung der Arbeitnehmerin gerechtfertigt, die eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten habe.
LAG Köln, Urteil vom 09.07.2025, Az.: 4 SLa 97/25
Das bedeutet für Sie
Arbeitgeber sind verpflichtet, Machtmissbrauch, Diskriminierung und übergriffiges Verhalten am Arbeitsplatz konsequent zu unterbinden. Ein Wegsehen oder Bagatellisieren solcher Vorfälle kann schwerwiegende rechtliche und wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen. Der Betriebsrat ist gefordert, sensibel auf entsprechende Hinweise zu reagieren, betroffene Beschäftigte frühzeitig zu unterstützen und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen anzustoßen. In Fällen gravierender persönlicher Entwürdigung ist eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig unzumutbar. Hier sollten einvernehmliche Lösungen gesucht werden – nicht selten unter Einbeziehung einer angemessenen Abfindung, die auch der Genugtuung des Opfers dient.
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