Worum geht es?
Ein Betriebsratsmitglied hatte im Vorfeld der Betriebsratswahl 2018 für sich und seine Kolleginnen und Kollegen aus dem Gremium, die alle auf derselben Liste kandidierten, Partei ergriffen. Zu diesem Zweck veröffentlichte er im Schaukasten des Betriebsrats ein Schreiben, das auszugsweise wie folgt lautete: „Ein für den Arbeitgeber durchaus unbequemer Betriebsrat, der für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzrechte steht, … ohne dabei die Rechte und den Stolz der Kolleginnen und Kollegen zu verkaufen …“ Über die Kandidaten der konkurrierenden Liste schrieb er: „Eine Liste, angeführt von dem Prokuristen und Küchendirektor, mit Kandidaten aus dem Kreis von Teamleitern, Stellvertretern und Kollegen, denen für ihre Kandidatur Vorteile in Aussicht gestellt und teilweise bereits gewährt wurden!“ Nach der Wahl klagte der Arbeitgeber auf Unterlassung der Äußerungen und eine Entschädigung wegen falscher und ehrverletzender Äußerungen.
Das sagt das Gericht
Das Gericht wies die Klage ab. Ein Unterlassungsanspruch bestehe nicht, da die Betriebsratswahl längst abgeschlossen und das Betriebsratsmitglied aus dem Betrieb ausgeschieden sei. Damit fehle es an der für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr. Auch ein Entschädigungsanspruch komme nicht in Betracht. Bei den Äußerungen habe es sich um zulässige Werturteile gehandelt, die vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Das Betriebsratsmitglied habe seine Wertung auf betriebliche Vorgänge stützen können – insbesondere darauf, dass Bewerber der arbeitgebernahen Liste kurz vor der Wahl Beförderungen, Entfristungen oder Gehaltserhöhungen erhalten hätten.
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.11.2020, Az.: 15 Sa 625/20
Das bedeutet für Sie
Meinungsäußerungen im Wahlkampf sind weitgehend geschützt. Wer sich zu den Motiven anderer Wahlbewerber äußert, gibt in der Regel ein Werturteil ab, das vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Dennoch gilt: Auch scharfe oder zugespitzte Kritik braucht eine tatsächliche Grundlage. Selbst in einem hitzigen Wahlkampf müssen Äußerungen auf überprüfbaren Tatsachen beruhen und dürfen nicht willkürlich oder unbegründet sein.