Vorzeitige Bekanntgabe eines Wahlvorschlages: Kein Anfechtungsgrund
Worum geht es?
In einem Gemeinschaftsbetrieb wurde 2022 eine Betriebsratswahl nach dem vereinfachten einstufigen Verfahren im Sinne des § 14a Abs. 3 BetrVG durchgeführt. Der Wahlvorstand hatte nur einen Wahlvorschlag erhalten. Noch vor Ablauf der Frist zur Einreichung weiterer Wahlvorschläge veröffentlichte das Gremium den einzigen Vorschlag durch Aushang. Einige Beschäftigte erklärten daraufhin die Anfechtung der Betriebsratswahl. Sie meinten, dass der verfrühte Aushang gegen § 14a Abs. 3 Satz 2 BetrVG verstoße, wonach die Wahlvorschläge erst nach Ablauf der Vorschlagsfrist bekannt gegeben werden dürften. Dies habe andere Beschäftigte möglicherweise davon abgehalten, selbst noch eine Vorschlagsliste einzureichen, weil sie z. B. dachten, es werde ohnehin keine weitere Liste mehr aufgestellt. Die erste und zweite Instanz folgte dieser Argumentation und erklärte die Wahl für unwirksam.
Das sagt das Gericht
Das BAG war anderer Meinung. Es hob den Beschluss des LAG auf und verwies die Sache zur erneuten Prüfung an die Vorinstanz zurück.
Die vorzeitige Bekanntmachung des Wahlvorschlages stelle zwar einen Verfahrensfehler dar, führe aber nicht zwingend zur Anfechtbarkeit der Wahl. Entscheidend sei vielmehr, ob dieser Fehler geeignet gewesen sei, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Denn nicht jeder Verstoß gegen das Wahlverfahren führe zur Unwirksamkeit der Wahl. Es müsse vielmehr geprüft werden, ob tatsächlich Wahlberechtigte davon abgehalten worden seien, einen weiteren Wahlvorschlag einzureichen, und es tatsächlich eine Beeinflussung gegeben habe. Da das LAG diese Prüfung nicht ausreichend vorgenommen habe und sich insbesondere nicht mit der Frage befasst habe, ob und wie konkret sich die vorzeitige Bekanntmachung ausgewirkt haben könnte, sei der Fall zur erneuten Anhörung und Entscheidung zurückzuverweisen.
BAG, Urteil vom 27.11.2024, Az.: 7 ABR 32/23
Das bedeutet für Sie
Die Anforderungen an eine ordnungsgemäß durchgeführte Betriebsratswahl sind hoch. Mitglieder des Wahlvorstandes sind deshalb dazu angehalten, in jedem Stadium des Wahlverfahrens sorgfältig zu überprüfen, ob die jeweiligen formellen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, die zahlreichen gesetzlichen Verfahrensfristen strikt einzuhalten, um keinen Raum für spätere Wahlanfechtungen zu lassen. Die Entscheidung des BAG zeigt aber auch, dass Betriebsratswahlen nicht wegen eines kleinen Fehlers einkassiert werden. So dürfen Wahlvorschläge zwar nicht zu früh veröffentlicht werden. Für eine erfolgreiche Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG braucht es aber mehr als lediglich das Vorliegen eines formellen Fehlers. Es muss ein erheblicher Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren mit Einfluss auf das Wahlergebnis vorliegen.
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